Deutschland 2016
Dokumentarfilm

Kinostart
29. September 2016

DVD-Release
7. April 2017
Zum Shop

Mali Blues

Ein Film von Lutz Gregor

Logline
MALI BLUES erzählt von vier MusikerInnen aus dem westafrikanischen Mali, die mit ihrer Musik für einen toleranten Islam und ein Land in Frieden kämpfen.

Kurzinhalt
Das westafrikanische Land Mali gilt als Wiege des Blues, den verschleppte Sklaven auf die Baumwollfelder Amerikas mitbrachten. Traditionelle Musik hält schon seit Jahrhunderten die Gesellschaft Malis zusammen. Doch Malis Musik ist in Gefahr. Radikale Islamisten führen im Norden des Landes die Scharia ein, verbieten Tanz und weltliche Musik, zerstören Instrumente und bedrohen die Musiker. Viele Musiker fürchten um ihr Leben und fliehen aus der Region um Timbuktu und Kidal. Doch der Islamistische Terror hat sich mittlerweile auch auf andere Teile Malis ausgeweitet. Die UNO-Kriegseinsätze werden weiter verstärkt, auch die deutsche Bundeswehr ist seit drei Jahren im Einsatz. Der Kinofilm MALI BLUES erzählt die Geschichten von vier Musikern, die Hass, Misstrauen und Gewalt in ihrem Land und eine radikale Auslegung des Islam nicht akzeptieren wollen. Weder in Mali, noch an einem anderen Ort auf der Welt.

Internationaler Shooting Star Fatoumata Diawara, Ngoni-Virtuose und traditioneller Griot Bassekou Kouyaté, der junge Rapper Master Soumy und der virtuose Gitarrist Ahmed Ag Kaedi, Leader der Tuareg-Band Amanar – sie alle haben eines gemeinsam: ihre Musik verbindet, tröstet, heilt und gibt den Menschen die Kraft für Veränderung, für eine gemeinsame Zukunft in Frieden.

Langinhalt
MALI BLUES erzählt von vier Musikern aus dem westafrikanischen Mali, die mit ihrer Musik für einen toleranten Islam und ein Land in Frieden kämpfen. Das westafrikanische Mali gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Aber musikalisch ist es so reich wie kaum ein anderes Land. Stars des AfroPop wie Ali Farka Touré, Salif Keita und Oumou Sangaré kommen aus der Gegend zwischen Timbuktu und Bamako, aus Mali, der Wiege des Jazz und Blues. Doch Malis Musik ist in Gefahr. Radikale Islamisten führen im Norden des Landes die Scharia ein, verbieten Tanz und weltliche Musik, zerstören Instrumente und bedrohen die Musiker. Malis Lebensader ist getroffen. Viele Musiker verstummen, müssen ins Exil gehen oder in die Hauptstadt Bamako fliehen. Doch der Islamistische Terror hat sich mittlerweile auch auf andere Teile Malis ausgeweitet. Die UNO-Kriegseinsätze werden weiter verstärkt, auch die deutsche Bundeswehr ist im Einsatz. Malis Musiker kämpfen mit ihren Instrumenten und ihrer Stimme für Frieden und Versöhnung, einen toleranten Islam und einen gesellschaftlichen Wandel in ihrem Heimatland. MALI BLUES portraitiert in leisen Tönen und poetischen Bildern, aber bisweilen auch in voller Lautstärke vier außergewöhnliche Musiker, die mit ihrer Musik für einen neuen Aufbruch in Afrika kämpfen. Fatoumata Diawara – der Shooting Star des AfroPop, die in ihren Singer/Songwriter-Balladen vom Leben als afrikanische Frau und überholten Traditionen singt. Bassekou Kouyaté – der Griot und Grammy-nominierte Weltmusiker integriert traditionelle afrikanische Instrumente in die moderne Rockmusik. Ahmed Ag Kaedi – seine rauhe, rockige Tuareg-Gitarrenriffs erzählen von der Sehnsucht nach der Wüste. Master Soumy – der Rapper, die Stimme der jungen Generation Malis, die auch von den korrupten Politikern gehört wird. Sie alle haben eines gemeinsam: ihre Musik verbindet und gibt den Menschen die Kraft für Veränderung, für eine gemeinsame Zukunft in Frieden. MALI BLUES ist ein Musikfilm, afrikanischer Hip Hop trifft auf den Geist von Jimmy Hendrix, Desert Blues auf tanzbaren AfroRock. Ein Film über die vereinende Kraft der Musik, der in Zeiten der Schreckensmeldungen ein positives Bild von Afrika und seinen Menschen zeichnet.

Konzerttermine in Deutschland

Fatoumata Diawara

Mittwoch 22. März 2017
Bonn - Kammermusiksaal Beethovenhaus
http://www.overtheborder-festival.de

Samstag 27. Mai 2017
Würzburg - Africa Festival
http://www.africafestival.org/zirkuszelt/


Bassekou Kouyaté

Sonntag 26. März 2017
Berlin - HAU Hebbel am Ufer
http://www.hebbel-am-ufer.de/programm/spielplan/bassekou-kouyate

Dienstag 4. April 2017
Köln - Club Bahnhof Ehrenfeld
http://cbe-cologne.de/events/

Sonntag 16. April 2017
Hamburg – Elbphilharmonie
https://www.elbphilharmonie.de/de/programm/bassekou-kouyate-ba-power/8439

PRESSETEXT

Mali, im Herzen von Westafrika gelegen, gilt als Wiege des Blues und Jazz. Sklaven brachten ihre heimischen Rhythmen und Klänge von dort mit auf die Baumwollfelder Nordamerikas. In Mali ist die Musik bis heute Teil der kulturellen Identität des Landes. Musiker genießen eine hohe Stellung in der Gesellschaft. Mit Fatoumata Diawara, dem internationalen Shooting-Star der Global Pop Szene, begeben wir uns in MALI BLUES auf eine musikalische Reise. Wir spüren der reichen Musikkultur des Landes nach und erfahren, wie sie von Dschihadisten bedroht wird. Dabei treffen wir engagierte Musiker, die sich mit ihrer Musik für Frieden und religiöse Freiheit in Mali einsetzen. Singer- und Songwriterin Fatoumata Diawara ist als junges Mädchen aus Mali geflüchtet, um einer arrangierten Heirat zu entgehen. »Ich bin gegangen, um meine eigene Geschichte schreiben zu können,« sagt sie heute. »Obwohl ich wusste, dass es für mich als schwarze Frau, die ohne Zustimmung ihrer Eltern abgehauen ist, schwer werden würde. Der Kampf gegen diesen Schmerz hat mich und meine Musik stark geprägt.« Fatoumata Diawara schaffte im Ausland als Sängerin den großen Durchbruch und trat sogar in dem hoch ausgezeichneten Film »Timbuktu« von Abderrahmane Sissako auf, der auch auf den Filmfestspielen in Cannes lief. Als der Norden Malis von radikalen Islamisten heimgesucht wurde, entschied sie sich, wieder für ihr Heimatland aktiv zu werden. Nun plant sie ihr allererstes Konzert in Mali. Der Norden Malis war zehn Monate lang von radikalen Islamisten beherrscht. Die Dschihadisten hatten die Wüstenstädte Gao, Kidal und Timbuktu besetzt und gaben sich mit aller Kraft daran, die Kultur des Landes zu zerschlagen. Antike Bauwerke wurden zerstört und die Scharia durchgesetzt, die auch die Musik verbot. Musiker wurden gefoltert und mit dem Tod bedroht. Viele flohen in den Süden des Landes, Richtung Bamako. Französische Einheiten und UN-Blauhelmtruppen kamen der Regierung Malis zu Hilfe und begannen, die Dschihadisten zurück zu drängen. Doch der islamistische Terror hat sich mittlerweile auch auf andere Teile Malis ausgeweitet, selbst Bamako wird immer wieder Opfer von Attentaten. Die UNO-Kriegseinsätze werden weiter verstärkt, auch die deutsche Bundeswehr ist seit drei Jahren im Einsatz. Der Tuareg Musiker Ahmed Ag Kaedi ist aus seiner Heimatstadt in der nördlichen Wüste Malis vor dem islamistischen Terror geflüchtet. Er lebt nun in der Hauptstadt Bamako, 1.500 Kilometer entfernt von seiner Familie und der Wüste und kämpft mit der Einsamkeit. In seiner Musik verarbeitet er die Sehnsucht nach dem Leben, das ihm die Dschihadisten genommen hatten. Auch Ngoni-Virtuose Bassekou Kouyaté und der Rapper Master Soumy beschäftigen sich in ihrer Musik mit dem anhaltenden politischen und religiösen Konflikt im Norden Malis. Beide setzen sich für ein vereintes und friedliches Mali ein und eine tolerante Religion. »Wir Musiker haben Stimmen, die stärker sind als Waffen«, ist Bassekou Kouyaté überzeugt. Ihr erstes öffentliches Konzert in ihrer Heimat Mali ist für Fatoumata Diawara nicht nur eine politische Notwendigkeit, sondern auch ein persönliches Anliegen: »Als ich hörte, dass Musik in Mali verboten ist, blieb für mich die Welt stehen. Wir Musiker sind krank, wir sind in gewisser Weise Psychopathen. Wir brauchen die Musik, um zu überleben. Sie heilt unseren Schmerz.«Fatoumata Diawara, Ahmed Ag Kaedi, Master Soumy und Bassekou Kouyaté – so unterschiedlich ihre Songs auch sein mögen, eines haben sie gemeinsam: ihre Musik rüttelt auf, bewegt und verbindet Menschen, tröstet und heilt – und gibt ihnen die Kraft um zu kämpfen. Gegen einen radikalen Islam, für einen Wandel in ihrem Land und für eine Zukunft in Toleranz und Frieden.

 

LUTZ GREGOR – BUCH UND REGIE

Lutz Gregor arbeitet seit 1983 als freier Filmemacher für verschiedene Fernsehsender, mit besonderem Interesse an der Verbindung von Gesellschaft, Musik und Tanz. In seiner künstlerischen Arbeit kombiniert er dokumentarische Verfahren mit künstlerischen. Seine letzten Arbeiten umfassen internationale Dokumentarfilme über Menschen und soziale, kulturelle und historische Hintergründe sowie Tanzfilme. Er unterrichtet an Medien-, Tanz- und Kunsthochschulen, u.a. »Physical Cinema Workshops«. »Königskinder« (2001, gefördert vom Filmbüro NRW) lief u.a. auf dem Max Ophüls Festival 2002 und wurde beim Festival International du Film Indépendant Brüssel 2003 für seine »innovative Filmsprache« prämiert. »Frankfurt Dance Cuts« (ARTE 2004, vier Kurzfilme mit Tänzern des Ballett Frankfurt von Bill Forsythe, Produktion Tag/Traum), lief im Oktober 2005 als deutscher Beitrag im Rahmen des Festivals Temps d’Images in der Villa Medici in Rom.

FILMOGRAFIE (AUSWAHL)
»Mali Blues«, 2016 52, 90 min., gebrueder beetz filmproduktion, ZDF/ ARTE
»Sansibars erstes Frauenorchester«, 2015 52 min. Medienkontor, ARTE
»Timbuktus verschollenes Erbe«, 2009 52 min. Gruppe 5, ARTE
»Königskinder«, 2001 Spielfilm, 70 min., Contact Film, Filmfund NRW Choreographie: Juan Kruz Diaz de Garaio Esnaola
»Kontakt Triptychon«, 1992 Tanzfilm, 30 min. in Koproduktion mit der Tanzfabrik Berlin, 3Sat

 

PROTAGONISTEN

FATOUMATA DIAWARA

Geboren wurde Fatoumata Diawara in der Elfenbeinküste. Mit 12 kam sie zu einer Tante nach Mali, bei der sie weiter aufwuchs. Die Tante arbeitete als Schauspielerin und auch Fatoumata begann bald, erste Rolle zu spielen und tauchte auch in ersten Filmen auf. Ihre bekannteste Rolle wurde die der »Sia« im Film »Sia le reve de python« – bis heute sprechen sie Menschen in Mali als Sia an. Mit 19 Jahren verließ sie Mali und schlug sich in Paris als Schauspielerin durch. Nebenbei wirkte sie als Sessionmusikerin bei Produktionen von Oumou Sangare mit. Ein entscheidender Schritt für sie waren aber die Aufnahmen mit der in Frankreich lebenden US-Amerikanerin Dee Dee Bridgewater für deren Album »Red Earth«. Darauf unternimmt Dee Dee Bridgewater einen Ausflug in die Musikwelt Malis und spielt mit einer ganzen Reihe an Stars der Musikwelt Malis zusammen. Ihr Debütalbum nimmt Fatoumata dann 2011 beim Londoner Label World Circuit auf, u.a. bekannt für den Buena Vista Social Club. Die Songs auf dem Album geben Einblick in die Gefühlswelt von Fatoumata Diawara. Sie verarbeitet darauf ihre z.T. traumatischen Erlebnisse im Zusammenhang mit ihrer alten Heimat Mali: Die Themen drehen sich um Einsamkeit, Beschneidung und um die Flucht vor einer arrangierten Heirat in Mali nach Frankreich. Für den Film »Mali Blues« kehrt sie zurück zu ihrer Familie nach Mali und spielt auf dem Festival am Niger ihr allererstes Konzert in ihrer alten Heimat. Sie kehrt aber nicht mit leeren Händen zurück, sondern als eine malische Sängerin, die mittlerweile hunderte Konzerte auf der ganzen Welt gespielt hat und zu den erfolgreichsten Musikern der malischen Musikszene zählt und das, obwohl sie in Mali bis dahin nie aufgetreten ist. Mittlerweile hat sie auch wieder ein eigenes Haus in Bamako. Die Konfrontation mit ihrer Heimat und ihrer Vergangenheit steht noch am Anfang. Fatoumata Diawara hat noch viel zu erzählen über ihr Leben zwischen den Welten. Ähnlich wie Rokia Traore wird auch sie mit ihrem »eigenen Stift« an der Zukunft ihres Heimatlandes mitschreiben und nicht nur für junge Frauen eine große Inspiration sein. Doch zuerst einmal hoffen ihre Fans auf ein neues Album von ihr.

 

BASSEKOU KOUYATÉ

»Wenn die Islamisten die Musik zum Schweigen bringen, dann reißen sie Mali das Herz heraus« sagt Bassekou Kouyaté, einer der bekanntesten Musiker des Landes. »Ohne Musik kann nicht mehr geheiratet, nicht mehr beerdigt werden. Ein Sonntag in Bamako ohne Musik? Das hat dann mit der Kultur unserer Vorfahren, unserem Selbstverständnis nichts mehr zu tun.« Und Kouyaté muss es wissen, schließlich kommt er aus einer der ältesten Lobpreissängerfamilien Malis. Seine Lieder gehen zurück auf das 13. Jahrhundert, als die große Gründungsfigur des Königreichs Malis, Sundjata Keita, die verschiedenen Ethnien der Region zum Königreich Mali einte. Und Musik ist bis heute das Blut, das in den Adern Malis fließt, denn die Lobpreissänger sind das Sprachrohr einer jeden Familie und der soziale Kitt: Sie schlichten Streitigkeiten, singen auf Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen und selbst der Präsident kann keinen Gast empfangen ohne einen Griot an seiner Seite. In einem Land, in dem mehr als 70% der Menschen Analphabeten sind, sind ihre Lieder ein zentrales Kommunikationsmittel, das sowohl die Geschichte wach hält, als auch Neuigkeiten verbreitet. Als die Islamisten den Norden eroberten und Musik verboten, bedrohten sie damit auch eine jahrhundertealte Tradition im Kern. Bassekou Kouyatés Karriere begann vor knapp 20 Jahren. Vom lokalen Hochzeitsmusiker entwickelte er sich zum internationalen Star der Weltmusik. Er revolutionierte sein Instrument, die Ngoni, erweiterte das traditionelle Instrument um Saiten und neue Stimmungen und machte es in den letzten knapp 10 Jahren international bekannt. Heute bereist er die Welt und spielt in Japan, Australien, USA und Kanada. Sein letztes Album wurde sogar für einen Grammy nominiert. So konnte der Musiker, der aus einfachsten Verhältnissen stammt, sich ein großes Haus in einem der staubigen Vororte von Bamako bauen, die in den letzten Jahren am Stadtrand der Hauptstadt entstanden sind. Heute steht in seiner Garage ein neuer Mercedes und einflussreiche Geschäftsleute und Minister bitten ihn, für sie auf wichtigen Anlässen zu spielen. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere wurde sogar der Präsident des Landes, Amadou Toumani Toure – kurz ATT – auf ihn aufmerksam. Bassekou’s Nähe zur Tradition, gepaart mit prestigeträchtigem Erfolg in Übersee, machten ihn zu ATT’s Darling, der ihn in den letzten Jahren seiner Amtszeit immer wieder einlud, Mali auf Staatsempfängen zu vertreten. So spielte Bassekou in den letzten Jahren für so gut wie alle Präsidenten Westafrikas von Abdoulaye Wade bis Blaise Compaore. Auch das ist bis heute Teil der Griot-Tradition.

 

MASTER SOUMY

Wenn Griots die Preissänger Malis sind, dann sind die Rapper die kritischen Journalisten. Während Griots an ihren Preisliedern auf reiche Geschäftsleute oder Politiker gut verdienen, tun sich die Rapper bis heute schwer, von ihrer Musik zu leben. Erst in den letzten Jahren änderte sich das. Verantwortlich für diesen Wandel waren auch die politischen Krisen. Während die Griots an Autorität verloren, fühlten sich die einfachen Leute, die sowieso nie Teil der Preislieder waren, von den Rappern angesprochen. Was im Senegal schon Ende der 90er Jahre begann, setzt sich in Mali erst seit Beginn der 2000er Jahre durch. Im Senegal rappten im Jahr 2000 Dutzende Rapper gegen den langjährigen Präsidenten Abdou Diouf und erst unlängst sorgte die Bürgerbewegung »Y« en a marre« (»Es reicht«), angeführt von einigen der bekanntesten Hipstars des Landes, dafür, dass das korrupte Regime von Abdoulaye Wade keine dritte Amtszeit bekam. Auch in anderen westafrikanischen Ländern wie Burkina Faso oder im Kongo gibt es ähnliche Beispiele und immer spielt HipHop dabei eine Rolle. Master Soumy zählt in Mali noch zu den Pionieren der HipHopszene. Schon auf seinem 2007 produzierten Album Toukaranké rappt er über Migration, fehlende Schulbildung für Mädchen, aber auch generelle Probleme wie die Stromversorgung oder den Zustand der Straßen. Neu ist im HipHop, dass Verantwortliche erstmals beim Namen genannt werden, eine Praxis, die im sehr konservativen Mali bislang ungewöhnlich war. Besonders seit der Krise nach dem Militärputsch 2012 kommentierten vor allem Rapper die Ereignisse. Man darf nicht vergessen: über 50% der Malier sind unter 18 Jahre alt, gerade auf sie haben die Rapper einen großen Einfluss. Und auch als die Islamisten dann begannen im Norden Malis Musik zu verbieten, waren es die Rapper, die dagegen ansangen: Master Soumy steuerte den Song »Explique ton Islam« (»Erklär deinen Islam«) bei. Darin fragt der gläubige Muslim die Dschihadisten, was Folter und Gewalt mit Islam zu tun habe und bittet sie, doch einfach mal ihre Auslegung des Islam zu erklären, der Unschuldige tötet und Sport oder Musik verbietet.

 

AHMED AG KAEDI

Ahmed ag Kaedi gehört zu den Tuareg-Musikern aus dem Nordosten Malis, die im Windschatten des Erfolgs von Tinariwen Europa eroberten. Bekannt wurde der Musiker aus Kidal mit seiner Band »Amanar«, die besonders für ihre poetischen, hintergründigen Texte bekannt ist. Sein Leben ist, wie das so vieler Tuareg aus dem Nordosten Malis, mit den politischen Ereignissen seit der Unabhängigkeit Malis verbunden. Anfang der 1990er Jahre kam es zu einer zweiten Rebellion der Tuareg gegen Mali. Viele Tuareg flohen damals ins benachbarte Algerien, auch Ahmed gehörte dazu. Erst lebte er als Flüchtling in Algerien, dann beschloss er mit Freunden weiterzuziehen nach Libyen in die Ausbildungslager Gadaffis. Damals glaubte Ahmed Ag Kaedi (wie viele andere Musikerkollegen auch) noch an den bewaffneten Kampf für die Rechte der von der Zentralregierung in Mali vernachlässigten Tuareg. 11 Monate hatten Ahmed ag Kaedi und seine Freunde in den Ausbildungscamps trainiert, als Gaddaffi 1994 die Lager auflöste, weil es zu einem Friedensabkommen in der Region gekommen war. Ahmed tauschte sein Gewehr gegen eine Gitarre und ging zurück nach Kidal. Er beschloss, sich fortan auf die Muisk zu konzentrieren. Zur gleichen Zeit feierte Ali Farka Toure seinen ersten Grammy Award für Talking Timbuktu, eingespielt mit Ry Cooder. Die Welt begann, Mali als Herkunft des Blues zu entdecken. Eine Musikszene formierte sich im Nordosten Malis. Anfang 2000 entstand dort das legendäre Musikfestival in der Wüste: »Festival au désert« – eine Bühne, die in der Folge zu einem einzigartigen Promotool für die Kultur der Tuareg werden sollte. Alljährlich trafen sich erst in der Nähe von Kidal, später bei Timbuktu, Musiker aus der Sahara von Mauretanien über Mali, dem Niger bis Südalgerien. Schnell wurde das Festival zum Geheimtipp für Musikfans aus der ganzen Welt. Superstars wie Robert Plant oder Bono kamen in die Wüste, um sich diese Musik anzuhören. 2012 fand das »Festival au désert« dann zum letzten Mal in der Wüste bei Timbuktu statt. Kurz darauf überfielen Islamisten den Austragungsort und nahmen mit, was mitzunehmen war. Auch als die Islamisten Ahmed ag Kaedis Heimatstadt Kidal eroberten, verbrannten sie Teile von Kaedis Ausrüstung und drohten der Familie, ihm die Finger abzutrennen, falls er weiterhin zur Gitarre greifen sollte. Seine Familie beschloss daraufhin, er müsse sofort nach Bamako fliehen. So strandete Kaedi wie so viele Musiker aus dem Norden damals in Bamako. Als das weltweite Medieninteresse an den Geschehnissen in Mali im Jahr 2013 hochkochte, bekamen Ahmed ag Kaedi und seine Band diverse Angebote für Konzerte in Europa. Als Musiker, die direkt von den Ereignissen betroffen waren, repräsentierten sie das »Festival au désert« auf diversen Veranstaltungen weltweit. U.a. traten sie bei einer Solidaritätsverstellung für das Festival au désert in Berlin in der Volksbühne auf. Dieser Tage ist es wieder ruhiger geworden um Amanar. Im Anschluss an das »Festival sur le Niger« in Segou im Jahr 2015 nahm Amanar in Burkina Faso ihr neues Album auf.

 

MUSIK & POLITISCHE LAGE IN MALI

MALI: WESTAFRIKAS MUSIKALISCHE WELTMACHT

Ein Taxistand in Bamako. Männer warten neben ihren verbeulten gelben Taxis auf Kunden. Daneben ein Mann, der Tee kocht. In ihrer Mitte ein kleines chinesisches Radio. Daraus dröhnt Yoro Sidibé, er spielt die archaische Musik der Jäger und begleitet sich dabei auf einer Donso ngoni, einem scheppernden, mit Spiegeln und anderen magischen Amuletten beklebten Bassinstrument. Egal ob die peitschenden Rhythmen der Wassoulou Sängerin Oumou Sangaré aus dem Süden Malis, die rührigen Balladen des blinden Duos Amadou & Mariam aus Bamako oder die rauhen rockigen Gitarrenklänge der Tuaregbands, in deren stehend verzerrten Gitarrensounds sich die Weite der Wüste im Nordosten Malis spiegelt: Kaum ein Land aus Afrika hat in den letzten Jahren einen derart großen musikalischen Output gehabt. Viele internationale Stars wie Robert Plant, Ry Cooder, Bono, Damon Albarn, Björk oder Manu Chao sind der Musik des Landes erlegen. Und immer wenn man denkt alles gesehen zu haben, lernt man neue Seiten kennen. Mali scheint über einen nicht versiegenden Strom an Musik zu verfügen. Es ist ein Land der Gegensätze, tief verwurzelt in seiner alten Musik-Tradition und zugleich Afrikas Musikexportland Nr 1. Und seine musikalischen Schätze sind längst nicht alle gehoben. Das gilt für die magische Musik der Chasseure, die unzähligen Griots wie Toumani Diabate oder Bassekou Kouyaté, aber auch für die vielen Musiker, die immer wieder in Paris ihr Glück versuchen und mit modernen Ideen zurück in ihre alte Heimat kommen wie Fatoumata Diawara. Die deutlichsten Worte in der Krise findet aber die junge Generation der Rapper wie Master Soumy, die offen die Dschihadisten und die korrupte politische Elite Malis kritisieren.

1. VON DER UNABHÄNGIGKEIT 1960 ZUR RAIL BAND

Der westafrikanische Binnenstaat Mali erlangte am 22. September 1960 seine Unabhängigkeit von Frankreich. Afrika war damals im Taumel der Unabhängigkeitseuphorie. Gefeiert wurde damals noch mit kubanischer Tanzmusik. Bands mit Namen wie die Maravillas du Mali bespielten die neue Elite in den Städten des Landes. Alles schien möglich. Im benachbarten Guinea arbeitete der charismatische Präsident Sékou Touré an seiner Vision eines neuen Afrika. Er wollte, dass sich auch die Musik Afrikas neu erfindet, modern wollte man sein, aber dabei einen eigenen Weg gehen. Sékou Touré gründete dazu ein ganze Reihe regionaler Orchester, die er mit modernen Instrumenten ausstattete und ihnen den Auftrag gab, aus ihrer Tradition eine moderne afrikanische Musik zu erschaffen. Das bekannteste ist das Orchestra National Bembeya Jazz. Mali schloss sich schon bald dem Trend an und es entstanden ebenfalls regionale Orchester wie Super Biton de Segou, Super Djata oder Kéné Star aus Sikasso, die lokale Traditionen mit Pop verbanden; oft noch schwer kubanisch beeinflusst. Ende der 60er Jahre wurde dann die Rail Band du Buffet de la Gare, die Urformation der malischen Popmusik, gegründet, in der später Stars wie Salif Keita oder Mory Kante (und auch Amadou Bagayoko von Amadou & Mariam) ihre Karrieren begannen und die die Popmusik Malis bis heute prägen. Kurz darauf folgte der große Gegenspieler: Les Ambassadors, die damals eher populäre internationale Stile wie Rumba, Foxtrott oder kubanische Musik spielten. Durch die 70er Jahre hindurch trat die Rail Band Nacht für Nacht vor vollem Haus auf und rangen mit den Ambassadors um die Krone der malischen Popmusik. Geldprobleme führten Ende der 70er dann dazu, das beide Bands ihr Glück im Ausland in der damals beherrschenden Musikmetropole Abidjan, in der Elfenbeinküste, suchten. Mitte der 80er wurde dann Paris der Nabel der Welt für Musiker aus Afrika, die groß rauskommen wollten. Salif Keita und Mory Kanté (der eigentlich aus Guinea stammte) wurden Ende der 80er dann zu den ersten Stars des aufkommenden Weltmusikmarktes. Gerade für die goldene Stimme Malis, Salif Keita, ein ungeheuer weiter Weg. In einem tief in seiner Tradition verwurzelten Land wie Mali, in der Familien und Kastenzugehörigkeit bis heute eine große Rolle spielen, galt es als anrüchig und sozial unvorstellbar als Mitglied einer noblen Kaste zu singen.

2. MALIS STARS: OUMOU SANGARÉ, TOUMANI DIABATÉ, AMADOU & MARIAM & ROKIA TRAORÉ

Singen aus freien Stücken: Oumou SangaréIn den späten 80er Jahren herrschte in Mali das korrupte Militärregime Moussa Traorés. Mali war ökonomisch am Boden. Die Leute hatten genug von den Preisliedern der Griots. In diesem Klima wurde plötzlich eine neue Musik populär, die neben der Mande Popmusik der Griots bis heute den zweiten populären Musikstil Malis ausmacht: die Musik der Wassoulou, benannt nach der Region im Südwesten Malis. Anders als die Mande Popmusik, deren Musiker überwiegend aus der Musikerkaste der Griots kamen (mit der großen Ausnahme Salif Keita), waren die Wassoulou Sängerinnen Musiker aus freien Stücken, die sich selbst »Kono« (Songbirds) nannten. Genau wie die Griots, erkennt man auch die Wassoulou-Musiker an ihren Nachnamen: die meisten heißen Sidibe, Diakite, Diallo oder Sangare (während Griots meist die Namen Diabaté, Diawara (!), Kouyaté, Sissokko oder Koité tragen) Die Königin der Wassoulou Musik ist bis heute Oumou Sangaré, eine Frau aus armen Verhältnissen. Als Kind musste Oumou sich auf den Straßen Bamakos als Wasserverkäuferin durchschlagen, um Geld für die Familie zu verdienen. Ihre Mutter war die zweite (vernachlässigte) Frau in einer polygamen Ehe. Diese Erfahrung wurde zur prägenden Botschaft ihrer Songs und machte sie zur Kämpferin für die Rechte der Frauen in Mali. Die treibende Kraft der Wassoulou-Musik kommt vom akzentreichen treibenden Rhythmus der kamale ngoni, der sogenannten Jugendharfe. Bis heute ist die Musik der Wassoulou Sängerinnen neben Mande Pop die gefeierte Popmusik Malis. Oumou Sangaré selbst betätigt sich heute allerdings mehr als Geschäftsfrau. Sie betreibt ein Hotel und sogar ein chinesischer Allrad – Geländewagen wird unter ihrem Namen verkauft.

Koramaestro Toumani Diabaté & Ngonimeister Bassekou Kouyaté

Schon als 18-jähriger stellte der Sohn aus einer der ältesten Griotfamilien Malis mit seinem Debütalbum Khaira sein Talent unter Beweis. Es folgte eine Karriere, die ihn in Kontakt mit den unterschiedlichsten Musiktraditionen weltweit gebracht hat und bis heute zu einem der innovativsten Musiker des Landes macht. International für Aufsehen sorgte Toumani Diabaté Ende der 90er zusammen mit der Neo Flamencoband Ketama und den Alben Songhai und Songhai 2. Er krönte sich damit zum virtuosesten Koraspieler Afrikas und lieferte den Beweis, das die Musikertraditionen Malis eine Kunstform sind. Ähnlich bekannt wurden seine Experimente mit dem Blues zusammen mit dem US-Amerikaner Taj Mahal, mit dem er das Album Kulanjan einspielte. Es folgte ein Duo mit dem bis heute ebenfalls gefeierten Koraspieler Ballaké Sissokko unter dem Titel New Ancient Strings, das damit dem Meilenstein traditioneller Koramusik, dem Album Ancient strings, das ihre Väter miteinander eingespielt hatten, einen würdigen Nachfolger lieferten. Außerdem veröffentlichte er diverse Alben in wechselnden Besetzungen mit seiner eigenen Band, dem Symmetric Orchestra. Zwei Grammy Awards erhielt er an der Seite mit dem späten Ali Farka Touré, mit dem er kurz vor dessen Tod zusammen im Duo das Album In the heart of the moon und Ali & Toumani aufnahm. Toumani Diabaté gilt bis heute als einer der wichtigsten Botschafter der jahrhundertealten Musik der Griots, der mit seiner Virtuosität dafür gesorgt hat, dass die Musik seiner Vorfahren ihren Platz unter den bekannten Kunstmusiktraditionen dieses Planeten gefunden hat. Ganz ähnliches hat Bassekou Kouyaté in den letzten Jahren für sein Instrument, die Ngoni, geleistet. Die Ngoni ist traditionell eine kleine 5 saitige Laute die im Sitzen gespielt wird. Sie gilt als ältestes Saiteninstrument Malis. Bassekou hat die Ngoni für die moderne Musik geöffnet. Auch er kommt aus einer langen Familientradition. Sein Vater und sein Großvater gelten beide als respektierte Griots und Virtuosen der Ngoni. Bassekou war dagegen der junge Wilde. Schon früh begann er mit neuen Stimmungen zu experimentieren. Statt zu sitzen schnallte er sich das Instrument wie eine Gitarre um, band mehr Saiten auf das Instrument, um harmonisch ähnlich flexibel zu sein wie die modernen Gitarristen. Nach Jahren zusammen in Bands mit Toumani Diabaté und später Ali Farka Touré, gelang ihm 2006 mit seinem Debütalbum »Segu Blue« der internationale Durchbruch. Seitdem tourt er mit seiner eigenen Familienband um die Welt. Sogar für einen Grammy wurde er schon nominiert.

Amadou & Mariam: es gibt immer Hoffnung

Von der Kunstmusik zurück auf die Straßen Malis in die Welt der einfachen Leute entführt uns ein blindes Duo aus Bamako. Ihre Karriere zählt zu den anrührendsten Geschichten der malischen Popmusik. Es ist die Geschichte einer Liebe zwischen zwei blinden Musikern, die alle Widerstände überwinden und es trotz ihrer Blindheit ganz nach oben schaffen. Auch Amadou & Mariam versuchten, wie viele Stars der 80er Jahre zuerst ihr Glück in der Musikmetropole Abidjan. Als blindes Duo landeten sie dort mit Songs wie Combattants und Je pense a toi mit ihren einfachen, eingängigen Texten erste Hits; vor allem unter den ärmeren Stadtbewohnern. Irgendwann landeten sie wieder in Bamako. Der Durchbruch kam erst, als der Franzose Marc Antoine Moreau bei einer Reise durch Mali am Busbahnhof eine Kassette der beiden kaufte und das Pärchen dann später zufällig auf der Straße in Paris wiedertraf. Schon ihr internationales Debütalbum machte sie in Frankreich zu Stars. Höhepunkt der Zusammenarbeit sollte aber das Album Dimanche a Bamako werden, das sie mit Manu Chao aufnahmen: 800.000 Mal verkaufte sich das Album und wurde damit zum meistverkauften Tonträger eines Künstlers aus Mali und nebenbei zum Beweis, dass man sein Schicksal – trotz Blindheit – selbst in Afrika überwinden kann und es ganz nach oben schaffen kann.

Die neuen Frauen: Rokia Traoré & Fatoumata Diawara

Kaum eine Künstlerin hat in Mali in den letzten Jahren derart für Skandale gesorgt wie Rokia Traore. Und das, obwohl die Diplomatentochter einfach nur ihre eigene Vision einer traditionell beinflussten Popmusik verwirklichen wollte. Aber viele Malier waren noch nicht soweit. Rokia Traore’s Musik geht von ihr als individuelle Künstlerin aus. Sie arrangierte ihre Songs mit traditionellen Instrumenten unterschiedlicher Ethnien, die man so noch nicht in Mali zusammen auf der Bühne gesehen hatte. Heraus kam eine Art Folklore Imaginaire, also eine in ihrem Kopf erdachte traditionell klingende, doch im Kern sehr moderne Musik. Das Ergebnis klang für westliche Ohren sehr traditionell, hielt sich aber nicht an traditionelle Stilgrenzen. Die Hüter der Tradition fühlten sich von dieser jungen – auch noch weiblichen – Sängerin angegriffen. Für sie klang ihre Musik einfach nur falsch. Auch ihren Musikern, die anfangs allesamt aus Mali stammten, verlangte sie große Disziplin ab, sie sollten nicht – wie üblich – improvisieren, sondern sich minuziös an Arrangements und Melodien halten. Ihr moderner Ansatz brachte ihr international viele Fans, in Mali aber war es nicht immer leicht für sie. Radiojournalisten weigerten sich, ihre Songs zu spielen, weil Rokia ihnen nicht – wie in Mali üblich – Geld geben wollte. Musikjournalisten sollten spielen, was sie gut fanden, nicht – wie die Griots – wofür sie bezahlt würden. Rokia Traore öffnete so viele Türen für Frauen in Mali.Fatoumata Diawara begann ihre Karriere gute 10 Jahre später als Rokia Traore. Sie stammt nicht aus einer intellektuellen Diplomatenfamilie und geht viel intuitiver an ihre Musik heran. Trotzdem drängt sich der Vergleich auf. Beide entsprechen dem Bild starke Frau mit Gitarre. Beide kamen nicht – wie die meisten Musiker in Mali – über die Tradition zur Musik. Auch Fatoumata hat viel Zeit in Frankreich verbracht und die Botschaften ihrer Texte und Musik sind stark von diesen Erfahrungen geprägt. Während sich Rokia Traore über die letzten 10 Jahre hochgearbeitet hat, gelang Fatoumata schon mit ihrem ersten Album der Durchbruch. Die Zukunft wird zeigen, in welche Richtung sie die Musikgeschichte Malis weiterschreibt.

3. VOM KÖNIG DES DESERT BLUES ZUM FESTIVAL AU DÉSERT

In den 80er Jahren stolperten einige englische Djs über frühe Schallplatten eines Musikers, der wie eine westafrikanische Ausgabe von John Lee Hooker klang: Ali Farka Touré. Aus der Begeisterung einiger Musiknerds in England entwickelte sich eine Nachfrage nach dem Original. Ali Farka Touré wurde nach London eingeladen und spielte erste Konzerte. Schnell war klar: die Musik dieses Mannes aus Niafunke, einem kleinen Ort am Niger 100 km westlich von Timbuktu gelegen, war der lebende Beweis, dass der Blues aus Afrika stammt. Ali Farka Toure hat das Wort Blues immer abgelehnt: er spiele die Musik, der Songhai, der Bozo, der Tamashek, der Fula; ja unzähliger Ethnien und wenn das nach Blues klinge, dann ist das eben Blues. Den Höhepunkt seiner Karriere erlebte er Mitte der 90er Jahre, als Ry Cooder das Album Talking Timbuktu mit ihm aufnahm und er in der Folge einen Grammy dafür verliehen bekam – ein Genre war geboren. Der Desert Blues und unzählige Musiker – vor allem aus den USA – haben sich in der Folge auf den Weg gemacht, in Mali die Wurzeln des Blues zu finden; sogar Martin Scorsese machte einen Dokumentarfilm über ihn »Feel like going home« und nannte seine Musik die »DNA des Blues«.Festival au désert: Tuaregmusik Die Geschichte des Festival au désert beginnt Anfang 2000. Aus einem alljährlichen Treffpunkt der Tuareg aus der Sahara entstand im Laufe von 10 Jahren eines der spannendsten Musikfestivals der Welt, dessen Existenz 2012 jäh ein Ende fand, als Islamisten die Region einnahmen und Musikmachen unter Strafe stellten. Eng verbunden mit der Bekanntheit des Festivals ist die Geschichte der bekanntesten Bands aus dem Nordosten Malis: Tinariwen. Tinariwen gilt als Speerspitze eines Revivals der Musik der Tuareg. Die Band bestand aus ehemaligen Rebellen der MNLA, die nach dem Frieden, Mitte der 90er Jahre, ihre Waffen niedergelegt hatten und sich wieder der Musik zugewendet hatten. Ironischerweise schenkte ihnen ihre ersten Instrumente einst Iyad Ag Ghali, derselbe Mann, der mit seiner islamistischen Splittergruppe Ansar dine 2013 die Sharia in Timbuktu ausrief und Musik verbieten ließ. Tinariwen stiegen seit Mitte 2000 mit Hilfe ihrer Auftritte auf dem »Festival au désert« zu einer der bekanntesten Musikexporte Malis auf. Die Welt war fasziniert vom Freiheitswillen der Musiker und vom vergessenen Volk der Tuareg, das seit der Unabhängigkeit 1960 für Anerkennung kämpfte. Und sahen hier eine Weiterentwicklung von Ali Farka’s Desert Blues hin zu Desert rock. Die Euphorie hat einen leichten Dämpfer bekommen, denn der Versuch unlängst einen Tuareg Staat AZAWAD auszurufen, endete mit der Übernahme der Region durch die Islamisten. Das Festival au désert ist mit der Krise im Norden zu einem Symbol der Freiheit im Kampf gegen den Islamismus geworden. In den letzten 10 Jahren ist es dem Festival gelungen, ein Medieninteresse für die Musik der Tuareg zu erzeugen, von dem der Kulturraum und eine ganze Reihe an Bands nachhaltig profitieren: Tamikrest, Bombino aus dem Niger und natürlich bis heute Tinariwen, die sogar einen Grammy verliehen bekamen. Eine der Bands, die hierzulande noch kaum bekannt sind ist Amanar um den Sänger und Gitarristen Ahmed Ag Kaedi. Er gehört zu den vielen Musikern, die von den Islamisten aus seiner Heimatstadt Kidal vertrieben wurden.

4. GENERATION HIPHOP – CA SUFFIT!

»Ca suffit«, es reicht, rappt Master Soumy in sein Mikrofon. Les sofas de la republique haben diesen Song zusammen eingespielt, ein Rapkollektiv, dem einige der bekanntesten Rapper Malis angehören. Seit gut 10 Jahren boomt HipHop in Mali. Die Krise hat der urbanen Musikform jetzt zum Durchbruch verholfen. Das Vertrauen in den Staat ist erschüttert.Die einst so populären Preissänger haben während der Krise an Popularität verloren. Den Politikern, die sie einst besangen, glaubt heute niemand mehr (siehe Artikel 2). Nie zuvor hatten Musiker, noch dazu junge Musiker (in einem Land wie Mali, wo Alter noch Respekt bedeutet ungeheuerlich) in so deutlichen Worten ihre Meinung zur Krise kundgetan. »In einer traditionellen Gesellschaftsordnung funktioniert Bestechung möglicherweise ganz gut«, erklärt Amkoullel, einer der derzeit international bekanntesten Rapper Malis, »aber wir leben in einer Demokratie«. Rapper wie Amkoullel, Sidiki Diabate oder Master Soumy wollen aber auch das Volk aufklären: »Zur Wahl zu gehen ist mehr als sich T-shirts schenken lassen und sein Kreuz zu machen, alle müssen Verantwortung übernehmen.« Der Vergleich zum Senegal zur Jugendbewegung »Y’en a marre« (es reicht) drängt sich auf. Die hatten Anfang 2012 mit dafür gesorgt, den alten, korrupten Präsidenten Abdoulaye Wade aus dem Amt zu vertreiben. Motor der Bewegung sind auch dort: Rapaktivisten; allerdings mit mehr Erfahrung. Schon einmal hatte die Hiphopbewegung Senegals einen Präsidenten verjagt und das war Anfang 2000: Wade’s Vorgänger Abdou Diouf. Die Stars der senegalesischen Hiphopszene sind seit den späten 90er Jahren auch in Mali populär. Die Rapper sind vielleicht die einzigen Musiker, die die aktuellen Probleme Malis beim Namen nennen. Die Mächtigen müssen sich erst an die direkten Worte der Rapper gewöhnen. Kritische Journalisten haben da in Mali schon mehr Erfahrung. So manch einer wurde seit dem Putsch verhaftet, bedroht und mundtot gemacht. Gewaltdrohungen hat auch Amkoullel schon bekommen, seine Antwort: weitermachen: »Es ist die einzige Zensur« erzählt er, »die den korrupten Machthabern noch bleibt. Das ist eine psychologische Waffe. Aber wenn wir uns einschüchtern lassen, dann gewinnen diejenigen, die Mali als Selbstbedienungsladen sehen.« Und das ist in diesem Land lange genug so gewesen.

Crew

Regie
Lutz Gregor

Produzent
Christian Beetz

Producerin
Kerstin Meyer-Beetz

Kamera
Axel Schneppat

Ton
Pascal Capitolin

Mischung
Jörg Höhne

Montage
Markus Schmidt, Michelle Barbin

Herstellungsleitung
Kathrin Isberner

Filmgeschäftsführung
Daniela Schöne, Sandra Zentgraf

Postproduktionsleitung
Philipp Weigold

Kinostart29. September 2016
FSK0
Runtime93 Min.

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DVD-Release 7. April 2017
VerpackungSoftbox
SpracheTamascheq
UntertitelDeutsch, Englisch, Französisch, Spanisch
ExtrasSoundtrack CD
Laufzeit Hauptfilm93 Min.
LabelGood Movies
DistributorIndigo
BestellNrDV 136828
EAN4015698009163

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